Fritz Barth
Widerstandskämpfer ja oder nein?
Eine kritische Abhandlung die zur Diskussion anregen
soll
Alljährlich wird am 20.Juli in öffentlichen Gedenkveranstaltungen
ehrend der Männer gedacht, die am 20.Juli 1944 mit dem lange geplanten
Sprengstoffattentat auf Adolf Hitler in der Wolfsschanze, dem damaligen
Führerhauptquartier, den Staatsstreich begonnen hatten. Dem Deutschen
Volk wollten sie durch Hitlers Tod weitere Leiden ersparen. Da Hitler überlebte,
brach das Vorhaben zusammen.
In bewegenden Worten gedenken jeweils hohe Würdenträger der
Bundesrepublik Deutschland den damals im Hof des Bendlerblocks erschossenen und
den später in Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof verurteilten und durch
den Strang hingerichteten deutschen Wehrmachtsoffizieren sowie ihren zivilen
Mitverschwörern. Auch den einfachen Bürgern die im Widerstand gegen das NS-Regime
gefoltert und verurteilt wurden wird gedacht. Kasernen, Truppenteile, Straßen,
Plätze und Schulen wurden und werden nach ihnen benannt.
Aber was ist Widerstand?
Beate Heidingsfelder, Vaihingen Enz, schrieb in „Wort und Weg“ (Wochenzeitschrift
der Evangelisch- Methodistischen Kirche), Nr. 57 vom 10.9.1995 wie folgt:
„Ohne Bischof Melle etwas unterstellen zu wollen, möchte
ich
doch anmerken, daß angesichts eines verlorenen Krieges so mancher in den
letzten Monaten des 3.Reiches noch versucht hat zu retten, was zu retten ist.
Widerstandskämpfer
waren sie deswegen noch lange nicht! Um zu beurteilen, ob jemand kritisch oder
unkritisch Hitler und seinen Machenschaften gegenüberstand, sollte deshalb
das
ganze Reden und Handeln einer Person während der Jahre 1933-1945 betrachtet
werden.“
Soweit die scharfsinnige und meines Erachtens zutreffende
Beurteilung der Beate Heidingsfelder zum Thema Widerstand.
Widerstand von diesem Standpunkt aus zu beurteilen, würde
viele Historiker zwingen tiefer zu schürfen und nicht nach dem vorherrschenden
Zeitgeist zu schreiben, abzuschreiben und wieder abzuschreiben. Auch gibt in
diesem Zusammenhang
zu denken, daß nach 1945 in Deutschland fast keiner mehr Nationalsozialist
(ebenso wie 1990, nach der „Wende“, fast keiner mehr Kommunist) gewesen
sein wollte.
Als sogenannte „Märzgefallene“ traten 1933 Massen in die NSDAP und ihre Gliederungen
ein um beruflich vorwärts zu kommen bzw. auf ihren Posten verbleiben zu können.
Diese, zunächst nur ihr Fortkommen Sehenden, wurden durch die Erfolge Hitlers
(Beseitigung der Arbeitslosigkeit und Heimholung der durch den Versailler-Vertrag
verlorenen deutschen Gebiete) immer mehr begeisterte opferbereite und treue
Parteigenossen.
Auch die Militärs der Reichswehr, die 1935 in Wehrmacht umbenannt wurde, standen
denen nicht nach. Alle Beamten im Reich wurden schon Anfang 1933 auf Adolf
Hitler vereidigt und traten bald der neuen Bewegung bei.
Selbst der spätere Verschwörer Graf Schenk von Stauffenberg führte als junger
Kavallerieleutnant in Bamberg den Zug begeisterter Menschen an, die Hitlers
Machtübernahme am 30. Januar 1933 begrüßten. Er sprach dort von einer „echten
Volkserhebung“. Kann man ihm das bei der allgemeinen Begeisterung verdenken?
Beim Anschluß Österreichs 1938 hallte tagelang der Ruf „Ein Volk, ein Reich,
ein Führer“ durchs Radio und begeisterte das Volk. Hitler wurde für viele zu
ihrem Gott. Er war wahrlich zum Führer des Volkes geworden. Der Widerstand
von seinen Gegnern wurde immer kümmerlicher. Kommunisten, Sozialdemokraten,
Deutschnationale und Andere traten zu der neuen Bewegung über. „Adolf“ wurde
vielen Neugeborenen zum Vornamen gegeben, wie zu Kaisers Zeiten „Wilhelm“.
Sogar „Adolfine“ für Mädchen war möglich und wurde von den Standesämtern akzeptiert.
Kinder mit biblischen Vornamen wie „Samuel“ oder „Esther“ wurden in germanische
Namen umbenannt.
Gegen das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, dem Vorläufer der späteren
Euthanasie (Vernichtung unwerten Lebens), das schon am 14.Juli 1933 erlassen
wurde, gab es auch von kirchlicher Seite keine nennenswerten Widerstände. Bei
der Meldung und verlangten Beurteilung von gebär- bzw. zeugungsfähigen Heranwachsenden
zwecks Kastrierung wirkten neben den Gesundheitsämtern, Bürgermeister, Schulleiter
Ortsärzte und sogar Ortspfarrer mit.
Ein anderes Problem war die erzwungene Arisierung auf allen Gebieten. Selbst
die Bekennende Kirche trat zu Beginn des 3. Reiches nicht für die verfolgten
Juden ein. Nur einzelne Pastoren halfen den verzweifelten, verfemten und verfolgten
Menschen unter Lebensgefahr.
Die von den herrschenden Nationalsozialisten dominierten „Deutschen Christen“ wollten
ein „arteigenes, entjudetes Christentum“ schaffen.
Den Nationalsozialisten unter Regie des Reichskirchenministers
Kerrl gelang sogar eine Spaltung der Bekennenden Kirche, als auf dem Höhepunkt
der Sudetenkrise im September 1938 die Kirchenführer Marahrens, Meiser und Wurm
sich von der „mutigen Gebetsliturgie zur Erhaltung des Friedens“ aus religiösen
und vaterländischen Gründen distanzierten.
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Pastor Martin Niemöller, im
Ersten Weltkrieg U-Boot- Offizier. Gründer des Pfarrer-Notbundes.
1937 verhaftet. Er kam als „Privatgefangener“ Hitlers
ins KZ. |
Wenig später bekannten die Führer
von 11 Evangelischen Landeskirchen ihre „unwandelbare Treue zu Führer und Volk“.
Gleichzeitig beschlossen sie die Gründung eines „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses
auf das kirchliche Leben des Deutschen Volkes“, da der christliche Glaube im
unüberbrückbaren religiösen Gegensatz zum Judentum stehe.
Auch der spätere „persönliche Gefangene Hitlers“ Martin
Niemöller
war zunächst von der nationalen Bewegung angetan. Erst als der Arierparagraph
in der evangelischen Kirche Anwendung fand, wurde er zum NS-Gegner (nach Scharen
Ben-Chorin in einer Fernsehsendung am 2.8.2000).
Der Gewaltakt mit dem Hitler 1934 zum angeblichen „Gefallen der Reichswehr“ beim
Röhmputsch die Spitzen der SA (Sturmabteilung) ausrotten ließ, hätte der Führung
der Reichswehr die Augen öffnen müssen, da dabei auch der frühere
Reichskanzler General Kurt von Schleicher erschossen wurde.
Schon aus der sogenannten „Kampfzeit“ der NSDAP, und
aus Hitlers Buch „Mein
Kampf“ waren Hitlers Ziele deutlich erkennbar. Allein das vorstehend Beschriebene
aus dem Anfang seines Regimes hätte trotz allgegenwärtiger vaterländischer
Propaganda die Gefahr erkennen lassen können, zu der sein Weg hinführte.
Vieles könnte noch angeführt werden, aber diejenigen die denken konnten schlossen
die Augen und ließen geschehen was geschah.
Andere emigrierten ins Ausland. Einer von ihnen, Thomas
Mann, hatte am 4. Februar 1933 in einem Brief Adolf Hitler als „geflickten
Lumpenkönig
eines märchentörichten Volkes“ bezeichnet, der „seine
Parolen ins Mikrofon bellen darf“.
Nur wenige Offiziere waren vor
Beginn des 2.Weltkriegs bereit auf den Sturz Hitlers und seiner Partei
hinzuarbeiten. Die „Miesmacher“, wie der spätere
Luftmarschall Milch zum Beispiel die Generäle Wilhelm Adam, Hermann Geyer
und Wilhelm Ulex bezeichnete, wurden von Hitler vor Kriegsbeginn als unzuverlässig
entlassen (aber aus Mangel an Heerführern 1939 wieder reaktiviert).
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Generaloberst Ludwig Beck (1880-1944). 1935-38 Generalstabschef
des Heeres. Wegen Hitlers Kriegsplänen zurückgetreten.
Nach mißglücktem Selbstmordversuch am 20.7.1944 erschossen. |
Generaloberst Ludwig Beck, der seit 1933 Generalstabschef des Heeres war, trat
1938 als einziger General noch in Friedenszeit aus Protest gegen Hitlers Kriegspolitik
zurück. Beck wurde am 20 Juli 1944 im Bendlerblock als Mitverschwörer
erschossen.
Weiteren zunächst kritisch eingestellten Generälen und Offizieren kamen durch
die großen Anfangserfolge Hitlers Zweifel und sie wurden schließlich willfährige
Helfer ihres Führers.
„Sieg, Sieg und nochmals Sieg“ war die Parole und
1939 und 1940 häuften sich
die Sondermeldungen Die eigenen Verluste waren zu Anfang des Krieges äußerst
gering. Hohe Auszeichnungen, Beförderungen und Marschallstäbe taten ein übriges.
Die Kritik erlosch zusehends. Nur wenige blieben standhaft.
Erst nach der bitteren Niederlage in Stalingrad, dem Opfertod der 6. Deutschen
Armee, und nach dem Eintritt der USA in den Krieg trat im Offizierskorps
und auch in weiten Kreisen des Volkes langsam ein Stimmungswechsel ein.
Besonders verstärkt wurde dieser Umschwung auch durch den Verlust der Lufthoheit über
Deutschland und der erschreckenden Zunahme der Gefallenenmeldungen ab 1941.
Fast wehrlos mußte der Bombenkrieg ertragen werden. Die vielfältigen
Einschränkungen
taten ein übriges die Siegeszuversicht mehr und mehr erlöschen
zu lassen.
Dies war der Beginn des eigentlichen aktiven und entschlossenen Widerstands
gegen Adolf Hitler und seine Partei. Nach der Kriegswende, die sich 1942/43
klar abzeichnete, begann der Ablösungsprozeß von der NSDAP-Diktatur.
Es wurde versucht das Deutsche Volk vor der völligen Vernichtung zu retten.
Dies war für die Hitlergegner ehrenvoll, kam jedoch viel zu spät.
Auch die Rettung der eigenen Stellung, der persönlichen Macht und des Besitzes
war für manche sicher mit ein Beweggrund. Denn jeder war sich selbst der Nächste,
wie zu allen Zeiten.
So ist der Mensch. Wenige sind zum Märtyrer geboren.
Aber die Alliierten wollten den totalen Sieg, die bedingungslose Kapitulation
des Deutschen Reiches.
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Rudolf Hess (1894-1987), ab 1933 Reichsminister und Stellvertreter
des Führers Adolf Hitler. |
Es ist bis heute noch unaufgeklärt was vor dem Rußlandfeldzug
1941 der Stellvertreter des Führers und Reichsminister Rudolf Hess durch seinen
Flug nach England bezwecken wollte. Hatte er ein Friedensangebot Hitlers zu überbringen?
In Winston Churchills Buch „Der Zweite Weltkrieg“, für den er den
Literaturnobelpreis erhielt, steht bezeichnenderweise kein Wort über den Fallschirmabsprung über
England von Rudolf Hess. Auch keine Aussage über seine Vernehmung. Alles bleibt
unter Verschluß. Liegt hier eine Geschichtsfälschung vor?
Daß bei einem Mißlingen der eventuellen „Friedensmission“ Adolf Hitler seinen
Stellvertreter als „verrückt“ bezeichnete ist nachvollziehbar. Also
war ein Verhandlungsfriede schon damals und auch nach dem Attentat am 20. Juli
1944 nicht möglich gewesen.
Allerdings hätte Hitlers Tod und der gelungene Staatsstreich den Krieg verkürzt
und viele Menschenleben bei Freund und Feind gerettet.
Das Attentat selbst und die Organisation des Umsturzes, das Unternehmen „Walküre“,
war mehr als dilettantisch. Hier fehlte die letzte Entschlossenheit zum Tyrannenmord.
Nur die wesentlichen Versäumnisse sollen genannt werden:
- Das Fernmeldenetz wurde nicht lahmgelegt.
- Keine Kontrolle über wichtige Rundfunkstationen.
- Fehlen einer Staatsstreich-Erklärung im Rundfunk.
- Die Führer der Partei und der SS in Berlin wurden nicht verhaftet.
- Reichspropagandaminister Joseph Goebbels blieb unbehelligt.
- Heereseinheiten die zunächst den Putsch unterstützten
schwenkten um.
Vor der Bestätigung von Hitlers Tod gab es zu viele
Unschlüssige, die zögerten sich ganz auf die Seite der Verschwörer
zu stellen. Hitlers Tod war für sie Voraussetzung für eine
Beteiligung am Putsch.
Zurück zur Wolfsschanze
In der hölzernen Baracke innerhalb des stark bewachten Führerkreises
im inneren Sperrkreis I befanden sich 24 Personen.
Adolf Hitler ließ sich gerade von Generalmajor
Adolf Heusinger die sich verschlechternde Lage an der Ostfront vortragen,
als Oberst Claus Graf Schenk
von Stauffenberg eintrat und von Hitler mit Handschlag begrüßt
wurde.
Stauffenberg stellte seine Aktentasche mit der Bombe unter
den eichenen Besprechungstisch. Wenig später verließ er unter einem
Vorwand die Baracke, bevor die Bombe mittels Zeitzünder explodierte und
die Baracke gänzlich
zerstörte.
Die Besprechungsteilnehmer wurden zum Teil auf den Boden geschleudert
oder durch den Raum gewirbelt. Bei einigen stand Kleidung und Haare in Flammen.
Mehrere lagen unter den Trümmern. Nur Hitler und Generalfeldmarschall Wilhelm
Keitel blieben ohne schwere Verletzungen (zitiert nach Ian Kershaws Hitler
Biographie, 2. Band).
Bei den jährlichen Gedenkveranstaltungen werden (nach dem vorherrschenden
Zeitgeist) die schwerverletzten und die an ihren Verletzungen verstorbenen
Offiziere nicht erwähnt. Sind sie nicht erwähnenswert?
Eine wertneutrale Geschichtsschreibung muß auf diese
Namen und ihre Dienstgrade hinweisen. Getötet oder schwer verletzt wurden:
- General Schmundt, Chefadjutant Hitlers
- General Korten
- Oberst Heinz Brandt
- Stenograph Berger
In Berlin spielte Generaloberst Fromm als Befehlshaber
des Ersatzheeres eine zwielichtige, für die Niederschlagung des
Staatsstreiches entscheidende Rolle:
Obwohl er ursprünglich beigezogen wurde und dem Aufstand
zugestimmt hatte, ging Fromm nach Eingang der Meldung daß Hitler überlebte
gegen die im Kriegsministerium versammelten Verschwörer vor.
Die Männer des 20. Juli kämpften nicht, sondern
boten sich - ohne eine Hand zu regen - den Kugeln dar.
Aber Fromm schaffte es nicht seine Spur durch Erschießen
der Mitwisser zu verwischen. Im April 1945 wurde auch Generaloberst Fromm auf
Befehl Hitlers hingerichtet. Seine Feigheit hatte sich nicht gelohnt.
Der Umsturz brach auch deshalb zusammen, weil es Reichspropagandaminister Goebbels
gelang Major Remer, den Befehlshaber des Wachbataillons, auf seine Seite zu
ziehen, indem er ihn telefonisch mit Adolf Hitler verbunden hatte. Hitler erteilte
dabei Remer den persönlichen Befehl und alle Vollmachten die Revolte in
Berlin niederzuschlagen. (zitiert nach Michael Freunds „Deutsche Geschichte“).
Der dilettantische Staatsstreich war keine Ruhmestat, aber ein Trauerspiel
ersten Ranges, obwohl die Verschwörer Deutschland vor dem völligen
Untergang - aber reichlich spät - retten wollten.
Noch am Abend des 20. Juli 1944 ernennt Hitler den Reichsführer
SS Heinrich Himmler zum Befehlshaber des Ersatzheeres und erteilt ihm unbeschränkte
Vollmachten.
In wenigen Wochen nach dem Attentat wurden nach und nach alle
Verschwörer und Mitwisser gefaßt. Nur wenige überlebten, die
meisten wurden hingerichtet.
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Am 11. März 1943 zeichnet Adolf Hitler Generalfeldmarschall
Erwin Rommel (1891-1944) mit den Brillanten zum Ritterkreuz mit Eichenlaub
und Schwertern aus. |
Traurig war auch wie Feldmarschall Erwin Rommel sich auf Hitlers Befehl
mit einer Giftampulle tötete um sich vor dem Volksgerichtshof und seine Familie
vor der angedrohten Sippenhaft zu retten. Das ihm bereitete Staatsbegräbnis
muß für die daran teilgenommene Generalität, die, wie General
Hermann Geyer, manches ahnte, ein schauerliches Erlebnis gewesen sein. General
Geyer, der 1942 auf Grund eines Briefes an Hitler entlassen wurde und in Höfen
wohnte, trug bei dem Staatsbegräbnis zum einzigen und zum letzten Mal
seine Generalsuniform und sein Ritterkreuz.
Rommel hätte mit seinem Namen und mit seiner Beliebtheit
in der Wehrmacht Wesentliches zum Gelingen des Umsturzes beitragen können,
wie auch manche Heerführer die zaghaft mitgewirkt aber im entscheidenden
Moment versagt hatten.
Rückblickend muß gesagt werden, daß ein geglücktes Attentat
des Schreiners Georg Elser am 8. November 1939 im Bürgerbräukeller
in München, mit Hitlers Tod, mehr bewirkt hätte als das Attentat
am 20. Juli 1944 (Im Bürgerbräu gab es 8 Tode und 63 Verletzte, Hitler
verließ vorzeitig den Saal und war gerettet). Damals wäre ein Verhandlungsfriede
eher möglich gewesen.
Kritisches, auch wenn es Widerspruch erregt, ist anzumerken:
- Gibt es außer der Bundesrepublik Deutschland noch
ein Land, das bei der Vereidigung seiner Streitkräfte, in unserem
Fall der Bundeswehr, die Attentäter die zweifelsohne (auch unter
Würdigung der Vermutung, daß bei einem Gelingen der Krieg verkürzt
worden wäre) ihren Fahneneid gebrochen und Kriegskameradentod in
Kauf genommen hatten, als beispielhaft hinstellt?
- Es gab sicher während des 2.Weltkriegs genügend Gelegenheit
Hitler direkt zu beseitigen. Allerdings nur unter Opferung des
eigenen Lebens. Hierzu war kein Attentäter bereit, auch nicht Stauffenberg,
der bei einem Gelingen des Tyrannenmords Staatssekretär im Reichskriegsministerium
werden sollte. (Allerdings werden in der Widerstandsliteratur dazu
bereite Selbstmordattentäter genannt, die aber, aus welchen Gründen
auch immer, nicht zur Tat schritten. Ob dies glaubhaft ist?)
- Gibt es außer der Bundesrepublik Deutschland noch
ein Land, wo Deserteure durch Regierungsantrag und Bundestagsbeschluß eine
hohe Geldentschädigung erhalten. Auch soll zu ihren Ehren ein Denkmal
errichtet werden.
Meines Erachtens wird dadurch ein Staat instabil und,
ist auf Sand gebaut. Ein wirklicher Schutz im Gefahrfall wäre
fraglich.
Die vielen Millionen Kriegstoten dagegen, die in Pflichterfüllung
im 2. Weltkrieg ihr Leben verloren, auch wenn sie einer verführten Generation
angehörten, mahnen.
Der frühere Heldengedenktag, der richtigerweise in Volkstrauertag
umbenannt wurde, wird zunehmend zur lästigen Pflicht und die Teilnehmer
an den Gedenkveranstaltungen werden von Jahr zu Jahr weniger. Aber ein Gedenken
an Kriege, Vertreibung und Völkermord wegen Rasse, Religion und Weltanschauung
ist der erste Schritt zur Völkerverständigung, zum Verzeihen und letztendlich
zum Frieden.
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Wie wir Jugendlichen, und auch die meisten Erwachsenen,
von der NSDAP vereinnahmt und stramm gleichgeschaltet wurden, zeigt
folgendes Lied das Viele lautstark mitgesungen haben und das uns heute
beschämt:
„Ihr Sturmkolonnen jung und alt
nehmt die Waffen in die Hand,
denn die Juden hausen fürchterlich
im deutschen Vaterland.
Wenn der Sturmsoldat ins Feuer geht,
ja, dann ist er frohen Mut,
denn wenn das Judenblut vom Messer spritzt,
dann geht’s noch mal so gut.“
Ich vergesse nicht wie unser Klassenlehrer uns 14 jährige
Knaben zur Freiwilligenmeldung zur Wehrmacht aufgefordert hatte, der
wir alle folgten. Auch sein Spruch: „Der Heldentod ist der schönste
Tod“ bleibt mir im Gedächtnis.
Weiter ist auch die Auswertung des Schriftverkehrs zwischen dem früheren
Bürgermeister der deutschen Templerkolonie in Haifa Johann Proß und
seinem Vetter Bürgermeister Fritz Hanselmann aus Neuweiler von Interesse.
Darin zitiert Proß aus seiner kritischen Predigt die er seiner Templergemeinde
in Tanuda, Südaustralien hielt:
Nach Adolf Hitlers Tod wurde im Internierungslager eine Trauerfeier
abgehalten, wobei der evangelische Pfarrer im Lager über Johannes 15, 12
sprach: „Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben
läßt für seine Freunde.“
Beim Weggehen von der Trauerfeier sagte ein führender
Nationalsozialistischer Templer zu Johann Proß: „Das gibt jetzt eine Heldengestalt
für das deutsche Volk, wie Christus für die Christenheit.“ J. Proß war
darüber erschüttert. Er fand es unerhört, daß 1945 ein Templer
aus einer führender Familie Adolf Hitler neben Christus stellte. Soweit
auszugsweise und zusammengefaßt aus dem politischen Teil seiner Predigt.
Anzumerken ist, daß 1941, als General Rommel auf seinem Siegeszug in
Nordafrika war, die Engländer alle wehrfähigen deutschen Templer
in Palästina auf einem Schiff nach Australien transferiert hatten. Dort
waren sie bis 1946 interniert.
Bezeichnend ist auch, daß gerade die Auslandsdeutschen begeisterte Hitleranhänger
waren und selbst in Palästina NSDAP-Ortsgruppen entstanden sind.
Aber auch im zusammengebrochenen Deutschen Reich geschah folgendes, das mehr
als unverständlich war: „Als der Breslauer Kardinal Adolf Bertram Anfang Mai 1945 von Hitlers
Tod erfuhr,
ordnete er an, daß in allen Kirchen seines Erzbistums ein feierliches Requiem
zu halten sei, in Gedenken an den Führer, so daß seine und Hitlers
Gemeinde zum Allmächtigen und, der Liturgie entsprechend, auch zu dessen
Sohn beten konnte, daß Adolf Hitler ins Paradies eingelassen werde.“ (nach
Goldhagen „Hitlers willige Vollstrecker“ und „Frankfurter Allgemeine
Zeitung“ vom
25.10.1980)
Die Beispiele zeigen, daß selbst nach dem Zusammenbruch Deutschlands
die NS-Ideologie im In- und Ausland noch stark verbreitet war. Deshalb hätte,
trotz vorhandener Kriegsmüdigkeit, ein Gelingen des Umsturzes am
20. Juli 1944 vermutlich Bürgerkrieg in Deutschland bedeutet. Es gab viele
Offiziere die noch der Nationalsozialistischen Ideologie verfallen waren und
Himmlers SS hätte das Feld nicht kampflos geräumt.
Wie wäre dann das Urteil der Geschichte ausgefallen?
Vielleicht verschanzten sich manche hohen Offiziere aus Angst vor einem Bürgerkrieg
hinter ihrem Fahneneid und unterstützten, wenn überhaupt, nur wankelmütig
die entschlosseneren Verschwörer.
Auch bei den Verschwörern selbst war vielleicht die Angst
vor einem Bruderkrieg Grund dafür, daß sie sich ohne Gegenwehr erschießen
oder gefangen nehmen ließen.
Zahlreiche deutsche Offiziere aller Waffengattungen wurden
abgestellt um Freislers Volksgerichtshof als Zuhörer beizuwohnen. Sie erlebten
die Erniedrigung der Betroffenen.
Ich darf Beate Heidingsfelder wiederholen: „Um zu beurteilen, ob jemand kritisch
oder unkritisch Hitler und seinen Machenschaften gegenüberstand, sollte
deshalb das ganze Reden und Handeln einer Person während der Jahre 1933-1945 betrachtet werden.“ Ein mancher könnte dann, meines Erachtens, nicht mehr
als Widerstandskämpfer bezeichnet werden.
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Meine persönliche Erinnerung an den 20. Juli
1944:
Einen Monat zuvor war ich als 16-Jähriger mit meinen Schulkameraden
Kurt Barth, Heinz Reiser und Bruno Locher nach Malmsheim zum RAD (Reichsarbeitsdienst)
eingezogen worden. Dort war die Kriegseinsatz-RAD-Abteilung 7/264 der
Luftwaffe unterstellt um für den Ausbau des Nachtjäger-Flughafens
verfügbar zu sein.
Plötzlich verbreitete sich am 20. Juli das Gerücht, daß auf
Adolf Hitler ein Attentat verübt worden sei. Wir waren wie gelähmt.
Unsere Elsässischen Kameraden, die in der RAD-Abteilung in der Mehrzahl
waren, standen in Gruppen zusammen und beratschlagten was zu tun sei wenn der
Führer tot ist und das 3. Reich zusammenbricht. Einige studierten schon
verstohlen auf Landkarten ihren Heimweg, denn die meisten Elsässer waren
ungern eingezogen worden.
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Der Verfasser 1944 bei RAD Abtlg. 7/264 im besonderen Einsatz
im Rahmen der Luftwaffe. |
Dann erfolgte lautstark der Befehl: „Alles antreten auf dem Appellplatz vor
den Baracken“. Dort wurde über Lautsprecher die Rede Adolf Hitlers aus
dem Führerhauptquartier übertragen. Unsere Elsässer bekamen
lange Gesichter und waren sichtlich enttäuscht. Viele Andere, die noch
an Wunderwaffen und den Endsieg glaubten, waren glücklich über
die „göttliche
Fügung“.
Diese Episode zeigt, daß auch durch den Zwiespalt zwischen 16- und 17-Jährigen
eher alles dafür sprach daß es zum Bruderkrieg als Folge des Staatsstreiches
gekommen wäre.
Bald darauf wurden die RAD-Männer unserer Abteilung in feierlicher Form
auf Adolf Hitler vereidigt. Ich selbst war damals als Ordonnanz zum Gruppen-Stab
260 nach Ruit abkommandiert und wurde deshalb erst im September 1944 einzeln
in Heilbronn-Trappensee von Oberst-Feldmeister Eugen Faller vereidigt. Bei
meiner Rückkehr zur Abteilung habe ich selbst den Oberst-Feldmeister auf
meine unterbliebene Vereidigung hingewiesen; ich wäre vergessen worden.
So waren wir Jugendlichen damals.
Rückblickend ist noch nachfolgendes festzuhalten:
Nach dem Röhmputsch und insbesondere nach dem Tod des Reichspräsidenten
Paul von Hindenburg am 2. August 1934 wurden alle Soldaten der Reichswehr
umgehend auf Adolf Hitler vereidigt.
Bis dahin wurde der Eid auf die Verfassung abgelegt, die zu schützen und
zu verteidigen sich der Soldat verpflichtete. Jetzt mußte der Soldat
Gehorsam gegenüber einem einzelnen Menschen schwören.
Der Eid lautete: „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer
des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht,
unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit
für diesen Eid mein Leben einzusetzen“
Also nicht für Volk und Vaterland, für die Verteidigung seiner Rechte,
sondern für die Person Adolf Hitler sollte gekämpft und gestorben
werden.
Dieser Eidestext kam nicht von Hitler selbst, sondern General von Reichenau
von der Reichswehrführung hat diesen Eid erdacht und damit die Reichswehr,
nun Wehrmacht genannt, bedingungslos in Hitlers Hand gegeben. Auch dieses
deutet auf das Versagen des Offizierskorps hin.
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